Hoch oben im Norden – dort, wo sich Schnee-Eule und Rentier „Gute Nacht“ sagen – steht ein kleines, verwunschenes Häuschen. Durch die mit Eisblumen bedeckten Fenster schimmert warmes Kerzenlicht und vor der Türe parkt ein prachtvoller Schlitten. In diesem wohligen Heim wohnt der Weihnachtsmann mit seinen sieben Wichteln. Sie leben ruhig und beschaulich. Doch wenn die Tage kurz und die Abende dunkel werden, dann bricht emsige Betriebsamkeit aus. Überall blinkt, pufft und blitzt es. Es wird gewerkelt, gebastelt und verpackt. Und das alles im Akkord … denn was gibt es Schöneres als große, leuchtende Kinderaugen an Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum? Nur einer will da dieses Jahr nicht so ganz mitspielen…

Noch ehe die ersten Adventslichter strahlen und Lebkuchenduft die Luft erfüllt, flattern tausende von Wunschzetteln aus aller Welt ins Wichtelhaus und stapeln sich bis unter die Decke. Nun gilt es für die emsigen Wichtel, die bezaubernden Geschenke zu besorgen oder zu fertigen. Eine wahre Meisterleistung für das „Weihnachtsmann-Ensemble“.

Um sich von der langlöffeligen Konkurrenz aus dem fernen Osterland zu unterscheiden und der klirrenden Kälte zu trotzen, tragen alle Wichtel eine grüne Zipfelmütze und einen gut gefütterten roten Overall. Auf dem eleganten Overall prangt gut sichtbar ein festliches Logo: Ein prachtvolles güldenes Rentier. Es dient den kleinen, fleißigen Arbeitern als Markenzeichen. Jeder Wichtel trägt seine Kleidung mit großem Stolz.

Die Mitglieder des „Weihnachtsmann-Ensemble“ sind allerorts sehr geschätzt. In der hiesigen Jobbörse ist Weihnachtswichtel daher der gefragteste Job, denn jeder weiß: Wer es zum Wichtel beim Weihnachtsmann bringt, erklimmt den Olymp seiner Karriere. Er genießt in der Gesellschaft hohes Ansehen, macht Kinder glücklich, ist immer passend gekleidet und muss nur zur Winterszeit arbeiten – bei vollem Lohnausgleich.

Nun begab es sich jedoch, dass es einem Wichtel einmal nach Extrawurst anstatt nach Lebkuchen war. Dieser mochte lieber seine eigene Kleidung tragen als sich ins traditionelle Gruppenbild zu fügen. Sein Gewand sollte kurzärmelig, ungefüttert und lieber blau statt rot sein. In der Öffentlichkeit mit dem Weihnachtsmann in Verbindung gebracht werden wollte er auch nicht. Das sei ja total uncool und gar nicht hip. Also verzichtete er zudem auf das Branding mit dem Rentier, welches ihn als Teammitglied auswies und die Zipfelmütze tauschte er gegen ein lässiges Basecap. Der Weihnachtsmann war wenig erfreut, mahnte eindringlich, ließ den aufmüpfigen Individualisten aber am Ende gewähren. Es war schließlich bald Weihnachten.

Eines Tages flatterte ein Eilauftrag ins Haus. In einem abgeschiedenen Ort ganz tief im Norden sollten mehrere Wunschzettel abgeholt werden, da die Post wegen eisiger Witterung streikte. Der Weihnachtsmann fragte in die Runde, wer diese Aufgabe übernehmen wolle. Da meldete sich der widerspenstige Wichtel. Der Weihnachtsmann runzelte die Stirn und schien zu überlegen. Da der Wichtel mit dem individuellen Kleidungsstil sich aber als erster gemeldet hatte, überließ er ihm die Aufgabe, was diesen sehr erfreute.

Alsbald machte sich der Wichtel fröhlich pfeifend auf den Weg durch Eis und Kälte. Sein Vergnügen wandelte sich jedoch rasch in Verzweiflung, denn als er die Adressen seiner Liste abklapperte, wollte ihm kaum jemand die Türe öffnen. „Du bringst doch bestimmt nur Rechnungen und Mahnungen“, „Du bist kein Weihnachtswichtel, die sehen ganz anders aus“, „Du bist sicher einer dieser Nervwichtel von Spam & Propaganda“ schallte es ihm barsch entgegen. Der Wichtel war traurig und wütend. Keiner erkannte, für wen er arbeitete und dann auch noch diese elendige Schnupfennase, denn natürlich hatte er sich mit seiner dünnen Kleidung bereits erkältet. Fluchend trat er den Rückweg an. Er hatte kaum einen Wunschzettel einsammeln können. Die ganze Reise war umsonst. Morgen müsse es wohl ein anderer Wichtel versuchen. Was für ein Reinfall.

Als der Wichtel am nächsten Tag niesend und schnäuzend bei der Teambesprechung saß, verlor der Weihnachtsmann kein vorwurfsvolles Wort an ihn. Er schaute ihn nur freundlich an und schob ihm eine Tasse dampfenden Kamillentee zu. Der Wichtel war sehr erleichtert und nippte dankbar daran. Er hatte eine grüne Zipfelmütze auf und das güldene Rentier auf seinem frisch gebügelten roten Overall schien für einen kurzen Moment zu zwinkern.